In Deutschland feiern wir die Abschaffung des § 219a, in den USA darf gleichzeitig jeder Staat selbst bestimmen, wie und ob Frauen die Entscheidung zur Abtreibung treffen dürfen. Bravo!
Ein Rückschritt, der seinesgleichen sucht? Diese Suche ist kurz. Schauen wir doch einfach mal nach Polen, Nordirland oder Afrika und Südamerika. In El Salvador werden sogar Frauen, die eine Fehl- oder Totgeburt erleiden, bestraft. Das ist alles nicht neu. Es ist sogar ein uralter Zustand und wir kriechen auch in Deutschland nur ganz langsam aus diesem patriarchalischen Morast heraus. Von der Freiheit sind wir noch weit entfernt.
Ich kann diese Diskussionen kaum noch ertragen, wenn es um die Rechte der Frauen geht, denn alleine der Umstand, dass wir darüber diskutieren müssen, ist so absurd. Hätte ich jemals in meinem Leben Kinder gewollt, dann nicht in einer Welt, in der ihre Rechte von ihrem Geschlecht abhängen.
Hier mal ein Fakt, den viele Männer – übrigens auch in meinem direkten Umfeld – nicht gerne hören, geschweige denn akzeptieren: Kein Mann der Welt kann verstehen, was es bedeutet schwanger zu sein. Ich hatte selbst kaum eine Vorstellung davon, bis ich es war. Das bedeutet, dass sich auch kein Mann darüber ein Urteil bilden und vor allem nicht über Frauen fällen darf. Das ist ganz einfach.
Stellen wir uns vor, wir würden nicht in einem Patriarchat leben, sondern in einem Matriarchat. Es würde beschlossen werden, dass sich Männer, sollten ihre Frauen damit einverstanden sein, grundsätzlich einer Vasektomie unterziehen sollen. Oder – damit die wunderbare Spezies „Mensch“ nicht ausstirbt – haben Männer per Gesetzesbeschluss die Pflicht Kinder in die Welt zu setzen, sich um sie zu kümmern und für sie aufzukommen. Und wer unfruchtbar ist, wird strafrechtlich verfolgt. Und hey, was ist eigentlich mit der männlichen Masturbation? Eine Verschwendung von potentiellem Leben… Die verbieten wir auch. Cool für alle? Nein? Ach so, das wäre ja gegen den freien Willen, die Selbstbestimmung und grenzt gefährlich an psychischer und physischer Gewalt. Das geht natürlich nicht.
Das hört sich völlig aus der Luft gegriffen an, ist es aber leider nicht. Wer sich wirklich mit Schwangerschaftsabbrüchen und der Lage der Frauen weltweit beschäftigt, wird vergleichbare Situationen im realen Leben finden. Und da frage ich mich, wie das ernsthaft als „Pro Life“ Aktivismus durchgeht. Es geht hier nur um Kontrolle und das ist die Wahrheit.
Auf den Socials liest man jetzt sehr viel zum Thema. Feminist*innen gehen auf die Straße, Beiträge zur Aufklärung werden gepostet. Was mir dabei auffällt ist, dass immer wieder Gründe für Abtreibungen angegeben werden. Wir müssen zu drastischen Beispielen wie Vergewaltigung oder Inzest greifen, damit in den Köpfen der Abtreibungsgegner*innen hoffentlich ein bisschen was ankommt. Aber wir sollten nicht vergessen, dass es um ein allgemeines Recht geht. Pro Choice. Für die Wahl. Egal, wie sie ausfällt und aus welchem Grund.
Es stimmt, nicht alle Abtreibungsgegner*innen sind männlich. Es gibt durchaus auch Frauen, die entschieden gegen diese Rechte vorgehen und somit auch gegen ihre eigenen. Warum das so ist, kann ich mir nur so erklären, dass sie nicht zwischen ihren Lebensplänen und denen anderer differenzieren können. Oder aus religiöser Verblendung. Sie scheinen zu vergessen, dass es bei dem Recht zur Abtreibung nicht aufhört. Mit der Unterstützung solcher Gesetze geben sie grünes Licht für die Kontrollübernahme unserer Körper, solange es unter der Überschrift einer guten Tat (wir schützen Leben!) geschieht.
Tatsächlich ist aber der Großteil, der zum Beispiel auch mich regelmäßig anschreibt, männlich. „Wenn du kein Kind möchtest, warum hast du dann Sex?“, „Es gibt immer noch Adoption, warum hast du dein Kind getötet?“, „Der Vater hätte das mitentscheiden müssen“.
Warum reden wir über Schwangerschaften immer so, als wären alle davon super toll? Eine Schwangerschaft ist keine Kleinigkeit! Der Körper und die Hormone verändern sich extrem, es kann schmerzhaft sein, es kann dich in deinem restlichen Alltag sehr einschränken, es beeinflusst dein Berufsleben, es kann zu Problematiken kommen, die dich monatelang ans Bett fesseln. Und wollen wir ernsthaft über eine Geburt sprechen? Nein, danke.
Das mögen ja alles Dinge sein, die man natürlich in Kauf nimmt für ein Kind, das man haben und um das man sich kümmern möchte. Aber dazu gezwungen zu sein, wenn klar ist, dass man keine Mutter sein wird, sondern das Baby adoptieren lässt, ist eine ganz andere Hausnummer.
Und wie viele dieser Supermänner, die diese Entscheidung gerne selbst treffen möchten, sind denn tatsächlich bereit dazu ihr ganzes Leben umzukrempeln und für ein Baby alleine zu sorgen mit allem was dazu gehört? Habt ihr alle nur Sex mit dem Ziel Vater zu werden? Wie viele One-Night-Stands möchten Unterhalt für ein Kind zahlen, wenn es schon so viele Männer nicht tun, die ein Kind aus einer langjährigen Beziehung oder Ehe haben? Wenn es sie gibt, dann bitte ich an dieser Stelle alle Pro Life Aktivisten mit religiösem Hintergrund bei ihrem Gott um einen Körpertausch zu beten. Lasst die Männer schwanger sein, sie können es besser als wir Frauen. Wie immer!
Ja, ich bin wütend. Ich habe schon dutzenden Male geweint, weil ich eine Frau bin und weil die Welt ist, wie sie ist. Ich möchte manchmal so laut schreien, dass die Erde in ihre letzten Scherben zerfällt und ich will mich einfach auflösen wenn ich einen Blick in die Nachrichten wage. Aber ich tue es nicht. Ich werde weiterhin für Aufklärung und Gleichberechtigung kämpfen und hoffen, dass alle Menschen in der Zukunft in vernünftige Dialoge gehen werden und aufhören sich gegenseitig zu verletzen. Das gilt für so viele Bereiche im Leben.
Für mich gilt, dass ich weiterhin dafür sorgen werde, dass mein Körper auch wirklich MEIN Körper bleibt.
Euer Otter