Kopfsprung in die Verdammnis

Oder: Wie ich die Kirche verließ

Hey Otter Crew! Vor ca. 2 Jahren bin ich endlich aus der Kirche ausgetreten. Das war erstmal nur ein kleiner Gang zum Rathaus. Es ist aber anscheinend üblich, dass sich die zuständigen Pfarrer nochmal bei den Ausgetretenen melden. So bekam auch ich einen Brief, in dem der Pfarrer meiner damaligen Gemeinde nach meinen Gründen fragte und mich darauf hinwies, dass ich keine von Gott geweihte Beerdigung zu erwarten habe, sollte ich weiter meinen Weg verfolgen… Schade! 😉

Heute möchte ich meinen Antwortbrief mit Euch teilen, da die darin angesprochenen Themen sicher auch immer wieder einen Platz auf meinem Blog finden werden. Namen etc. habe ich selbstverständlich zensiert. Also: Here we go!

„Sehr geehrter Herr Pfarrer X X X ,

ich danke Ihnen für Ihren respektvollen Brief und nutze hiermit sehr gerne die Gelegenheit, Ihnen ganz ehrlich zu antworten.

Mein Austritt aus der katholischen Kirche ist keineswegs eine überstürzte Entscheidung gewesen, sondern eine Konsequenz, die ich ziehen musste, um mir selbst und meinen Überzeugungen treu zu bleiben.

Ich bin katholisch getauft worden, jedoch habe ich nie verstanden, warum Menschen eine Religion brauchen, warum jeder davon überzeugt ist, den einzig richtigen Weg Gottes zu gehen.

Deshalb habe ich mich auch schon als Kind gegen die Kommunion entschieden. Sie können mir glauben, dass meine Großeltern nichts unversucht gelassen haben, um mich vom Gegenteil zu überzeugen… Doch ich finde und fand Gott noch nie in einer Kirche, bzw. in einer Religion. Ich bin sehr spirituell. Doch ich finde Gott überall. Gott bedeutet für mich eine Verbindung von allem, Liebe, Hoffnung, Frieden,… Darin stimmen wir sicher überein. Er oder sie oder es, egal, was genau Gott ist, ist für mich eine Energie, die heilend ist, die uns im Innern sagt, was richtig und was falsch ist, unsere Intuition.

Sie haben Recht, dass die immer wiederkehrenden Skandale in den Medien natürlich eine Rolle für mich spielen. Bis heute findet Missbrauch in Ihren Kirchen statt und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich große Bedenken hätte, meine Kinder in der Kirche dienen zu lassen, selbst wenn ich dem katholischen Glauben folgen würde.

Auch als Frau fühle ich mich nicht respektiert. Als Feministin stehe ich für die Gleichwertigkeit jedes Menschen ein. Bei all meinen Mitmenschen und natürlich auch in meinem Glauben. Wie kann ich Teil einer Gemeinschaft sein, die das eindeutig nicht unterstützt? Erst kürzlich wurde wieder deutlich, dass Frauen weiterhin nicht dieselben Aufgaben in der Kirche übernehmen dürfen, wie Männer. Da kommen viele Fragen auf. Ich und auch alle anderen Frauen, die ich kenne, sind genauso klug, genauso fähig dieselben Aufgaben wie Männer zu übernehmen. Warum sollte Gott das nicht wollen, warum sollte er ein Geschlecht dem anderen vorziehen, warum sollte er sich überhaupt darüber Gedanken machen? Gott ist für mich niemand, der uns Grenzen setzt. Der uns dafür bestraft, wer wir sind.

Sie sollten vielleicht ein paar Dinge über mich wissen:

Mein Liebesleben habe ich bisher hauptsächlich mit Männern verbracht, doch ich liebe auch Frauen. Ich war schwanger, doch ich habe mich bewusst entschieden, dieses Kind nicht zu bekommen. In meinem Freundeskreis gibt es sowohl heterosexuelle, als auch homosexuelle Menschen, Menschen in Ihren buntesten Variationen. Der katholische Glaube sieht mich und viele meiner Freunde als Sünder. Ich habe mich vor einigen Monaten mit einer Katholikin unterhalten und sie sagte mir, wenn ich Vergebung suche, werde ich sie bekommen, denn Gott liebt uns alle.

Wenn Gott uns alle liebt, denken sie dann nicht, dass er uns eben genau so liebt, wie wir sind? Dass er uns so unterschiedlich geschaffen hat, weil er uns liebt? Dass er uns Möglichkeiten eröffnet, weil er uns liebt? Ich suche keine Vergebung, denn ich habe keine Sünde begangen. Ich fühle mich nicht ausgestoßen, nur weil Männer vor sehr langer Zeit ein Buch schrieben, in dem steht, was richtig und was falsch ist. Im Gegenteil, ich glaube, dass Gott uns die Kraft gibt, schwere Entscheidungen treffen  und auch mit den Konsequenzen leben zu können. Wir haben die großartige Möglichkeit, hier unsere Erfahrungen zu machen und unsere Aufgaben zu erfüllen. Ich denke, es ist richtig, dass ich die bin, die ich eben bin. Ich denke auch, dass es richtig ist, dass Sie der sind, der Sie sind. 

Ich kehre mit meinem Austritt nicht meinem Glauben und Gott den Rücken zu, sondern Religionen, die Diskriminierung und Gewalt zulassen. Menschen leiden, weil ihnen beigebracht wird, dass Gott sie nicht liebt, weil sie anders sind als die gesellschaftlich akzeptierte Norm. Religionen werden benutzt um Kriege zu führen. Das ist nicht der richtige Weg…

Mit meiner Lebenszeit versuche ich möglichst viel positiven Einfluss zu nehmen. Ich lebe vegan, um Tieren und unserer Umwelt zu helfen, ich setze mich für soziale Projekte und Organisationen ein, ich rede viel über Missstände und versuche so darauf aufmerksam zu machen. Ich versuche eine gute Freundin, Tante, Tochter, Partnerin und Schwester zu sein und jeden, der meine Hilfe braucht, zu unterstützen. Ich arbeite gewissenhaft und sorge selbstständig für mich und meine zwei Katzen. Ich bin ein lustiger, guter Mensch. Das sollte für Gott mehr zählen, als z. B. meine sexuelle Gesinnung. Und ich bin mir sicher, dass es das auch tut. Kein Mensch ist perfekt, das wissen Sie ja auch. Wir machen alle Fehler, kleine und große.

Ich respektiere Ihren Glauben. Jeden Glauben. Jeder hat seine Wahrheit und jeder hat das Recht, seinem Herzen zu folgen.
Sie haben jedoch gewissermaßen Recht, wenn sie sagen, meinem Austritt geht ein Ärger oder eine Verletzung voraus. Dies gilt aber nicht Gott und auch nicht Ihnen oder der Gemeinde an sich. Es gilt den Menschen, die etwas aus Gott machen, was er nicht ist. Denen, die ihre Macht ausnutzen und der andauernden Weigerung, sich neuen Wegen zu öffnen und zwar in den wichtigen, großen Fragen. Mein Ärger richtet sich an Menschen, die andere aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminieren. An diejenigen, die ihre Augen vor Problemen verschließen. An die, die Gewalt zulassen. An die, die Rassismus zulassen. Denn diese Dinge finden außerhalb von Liebe und Frieden und für mich damit auch außerhalb von Gott statt. Gewalt, Macht, Betrug,… das ist von Menschen gemacht.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meinen Standpunkt näher bringen. Meine Entscheidung ist sehr gut überlegt und steht fest. Wir können trotzdem gerne persönlich darüber reden, Austausch ist immer etwas Gutes und Unterschiede bedeuten ja auch keine Feindschaft.

Herzliche Grüße“

Glaube fand für mich schon immer außerhalb einer Religion statt

Auf diesen Brief bekam ich eine sehr wertschätzende Antwort und die Einladung zu einem Treffen, dem ich zugestimmt hätte, allerdings kam dann unsere Pandemie dazwischen. Seither habe ich nichts mehr von ihm gehört. Sollte es sich doch noch ergeben, berichte ich Euch natürlich von unserem Gesprächsverlauf. Mein Brief verändert nicht die katholische Kirche. Doch bin ich trotzdem froh, dass mein Standpunkt gehört wurde und auch darauf kommt es an.

Gott, eine höhere Macht oder auch einfach das große Nichts. Wer weiß, ob das alles etwas zu bedeuten hat? Dieses Thema hat viel mit Glaube zu tun, aber sicher gibt es keinen Zusammenhang mit irgendeiner Religion.

Hey und wenn doch: See y`all in hell! 😀

Euer Otter

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