Die andere Seite der Medaille

In meinem letzten Beitrag ging es darum, auch mal Nein zu sagen und sich die Zeit zu geben, die man braucht. Auch in der Weihnachtszeit und an Silvester, wo doch eine Einladung nach der anderen ins Haus flattert. Heute geht es um die andere Seite der Medaille. Was ist mit den Menschen, die alleine sind, es aber lieber nicht wären? Was ist mit denen, die kein Zuhause haben, in dem sie immer herzlich aufgenommen werden? Die, die alleine in einer Situation feststecken? Auch das kommt leider nicht so selten vor. Da wir uns gerade in dieser Zeit befinden, schreibe ich hier hauptsächlich anhand der Beispiele Weihnachten und Silvester, meine aber auch jede andere beliebige Situation 🙂

Zu diesem Punkt fallen mir sofort Senioren ein. Die Großmütter und -väter, die alleine leben, vielleicht keine Verwandtschaft in der Nähe haben oder in einem Pflegeheim wohnen. In den Jahren, in denen ich in einer Seniorenresidenz gearbeitet habe, konnte ich so manchen traurigen Bewohner beobachten und ich habe in einem der „guten“ Häuser gearbeitet, in denen es täglich Angebote und zu jedem Feiertag ein kleines Fest gab. Überhaupt wurde viel für Unterhaltung gesorgt. Doch trotzdem: Manchen fehlt das Gespräch mit einem Vertrauten, Mit jemandem, der sich auch mal stundenlang Zeit nimmt. Viele Angehörige können sich bedingt durch andere Pflichten, wie Job, Kinder, etc. diese Zeit höchstens mal am Wochenende nehmen. Manche haben kein gutes Verhältnis zu ihrer Verwandtschaft. Und so kam es auch bei mir oft vor, dass sich ein Bewohner oder eine Bewohnerin den Rollator schnappte, durch das Haus zu meinem Büro schlenderte und mir dort alles Mögliche erzählte. Über das Frühstück, wie doof der Zimmernachbar ist, von der ersten großen Liebe, vom Krieg, von ihren Hobbys,… Einfach alles. Leider habe ich in dieser Zeit auch viele Tränen gesehen, die durch einen Verlust oder Einsamkeit ausgelöst wurden. Auch meine Großmutter gehörte zu denjenigen, die ein strahlendes Leuchten in den Augen hatten, sobald man sie besuchte und war immer für einen Ausflug zu haben. Man konnte spüren, dass sie jeden Augenblick in (ausgewählter) Gesellschaft genoss. Genauso war auch ihre Enttäuschung zu sehen, wenn die Zeit mal nicht für einen Spaziergang zum nächsten Café gereicht hat.

Aber nicht nur Senioren fühlen sich oft alleine, abgestellt, traurig. Menschen jeden Alters kann es aus verschiedensten Gründen so gehen. Ich kann mich z.B. an einen Silvesterabend erinnern vor ungefähr 10 Jahren, an dem ich dachte, es würde mir nichts ausmachen, alleine zu sein. Als ich dann draußen die vielen Menschen hörte, die sich ein frohes neues Jahr wünschten, wurde ich aber doch ziemlich wehmütig und hatte das Gefühl, einsam zu sein. Was kann man tun, um diesem Gefühl entgegenzuwirken?

Nun, wie man so schön sagt, können wir das Beste aus der Situation machen und die Verantwortung übernehmen, indem wir uns eben bspw. selbst ein schönes Weihnachtsfest machen. Man gönnt sich das Lieblingsessen bei einem Filmabend, macht einen Spaziergang und genießt die Ruhe oder was auch immer „ein schönes Weihnachtsfest“ für jeden persönlich bedeutet. Manchmal kennt man doch jemanden aus dem Bekanntenkreis, der vielleicht in einer ähnlichen Situation steckt. Sozusagen ein Gleichgesinnter zu dem man aktiv den Kontakt aufnehmen kann. Möglicherweise ist es auch eine gute Zeit um ein neues Projekt zu starten, in das man sich voller Spannung vertiefen kann oder man möchte anderen Menschen, die auch alleine sind, helfen. Viele Pflegeheime oder auch Obdachlosenhilfen sind um jeden ehrenamtlichen Einsatz froh. Es gibt viele Möglichkeiten. Trotzdem gibt es unter uns dann immer noch die Menschen, die gerade nicht aus eigener Kraft ihre negativen Gefühle bewältigen können oder zumindest nicht wissen, wie.

Das ist, wie ich finde, ein großer Punkt, den man nicht vergessen darf. Selfcare, Achtsamkeit, „Tu Dir selbst etwas Gutes“, ja, das hört sich alles gut an und wie Ihr wisst, bin ich da auch total dabei. Es ist trotzdem nicht die beste Lösung für jede Person in jeder Lebenslage. Aufeinander achten. Das sollte ein wichtigerer Punkt für jeden von uns werden. Sehen, wer unsere Hilfe braucht, auch außerhalb unseres engsten Familien- und Freundeskreises. Fällt uns auf, dass Kollegen bspw. öfter einen betrübten Eindruck machen, haben wir schon lange nichts mehr von einem unserer Freunde gehört,…? Ist es nicht auch sehr traurig, wie oft man einfach aneinander vorbeigeht, ohne sich anzuschauen? Klar, man ist sich meist fremd, läuft man sich einfach nur irgendwo in einer Stadt über den Weg. Doch vielleicht verpassen wir auch oft Momente, in denen wir hätten helfen können.

Vor einigen Jahren hatte ich einen furchtbaren Tag, heute kann ich nicht mehr ganz genau sagen, was los war. Aber ich saß an einem Bahnhof und konnte nicht anders als zu weinen. Ich muss furchtbar ausgesehen haben. Plötzlich kam ein junger Mann zu mir und fragte: „Alles ok? Brauchst Du meine Hilfe?“. Ich habe Nein gesagt, denn ich wusste nicht, wie er mir helfen sollte. Doch alleine die Tatsache, dass er mich gefragt hat, hat mir geholfen. Danach konnte ich mich beruhigen und bin nach Hause gefahren. Viele Jahre danach erinnere ich mich noch daran und bin ihm dankbar dafür 🙂

Kleine Gesten können Menschen den Tag verschönern und vielleicht sogar retten, ohne, dass wir uns direkt fremden Ballast ans Bein binden. Ich glaube, es ist ganz natürlich, dass wir Problemen, die vor allem nicht mal unsere eigenen sind, aus dem Weg gehen möchten. Doch wie mein eigenes Beispiel zeigt, reicht manchmal auch schon ein Funke Interesse, um einem Menschen zu helfen. Ich glaube nicht daran, dass wir tatsächlich viel Gutes tun, indem wir nur auf uns selbst schauen und die Augen vor allem anderen verschließen. Um aufmerksamer durch die Welt zu gehen und vielleicht auch mal für andere da zu sein, müssen wir auch kein Superheld sein und allen, die uns begegnen einen Teppich aus Rosen vor die Füße streuen. Manche freuen sich einfach über ein „Hallo“. Ein Zeichen dafür, dass sie gesehen werden.

Wir können mit Sicherheit sagen, dass wir alle unterschiedlich sind. Nicht nur das, wir verändern uns auch ständig, stehen auf der einen, dann auf der anderen Seite, daran muss ich mich auch manchmal erinnern 😉

Viel Liebe und gute Vibes für Euch!

Der Otter

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