Die eigene Entscheidung

Autor*in anonym

Das Thema Abtreibung kam für mich in jungen Jahren (21) in Betracht, als ich durch eine gewisse Leichtsinnigkeit in dem Umgang mit der Pille ungewollt schwanger wurde. Mein Partner wusste, dass ich für einen kurzen Moment pausiere, aber in seinen Gedanken ist nur die Frau für die Verhütung zuständig. Er vertritt die Ansicht, er sei ein ganzer Kerl und deshalb traut er sich zu sagen was er denkt und wofür die anderen Männer zu feige sind. Meine Mutter war sehr schnell dabei ihm in allem Recht zu geben und da sie natürlich besser wusste, was für mich gut ist und ich viel zu jung war um das zu begreifen (das lernt man nämlich erst im Alter sagte mein Umfeld), stand ich ganz alleine da. Meine Freundin hatte eine Abtreibung hinter sich und hat es nur geschafft, weil sie beweisen konnte, dass der Kindsvater Bluter war und dieser hinter ihr und der Abtreibung stand. Nur redete der ganze Ort hinter ihrem Rücken über sie. Auch kam sie aus einer alteingesessenen Großbauernfamilie die sehr angesehen war. So etwas hatte ich nicht.
Was ich hatte war eine unbeschreibliche Angst. All diese Dinge, die den „nicht rechtschaffenden“ Frauen, die aus „Dummheit“ schwanger werden und dann zu einer „Mörderin“ an einem unschuldigen Kind werden, vorgeworfen werden. Diese Angst war übermächtig.
Was ich wollte war eigentlich nur in Ruhe eine Entscheidung für mein Leben zu treffen mit der ich mich wohlfühlte.
Aber das ging nicht.
Es kamen die sogenannten guten Ratschläge und Argumente:
„Eine Familie zu gründen ist der Sinn einer Frau, sonst fehlt Dir irgendwann etwas, das Du Dein Leben lang vermisst.“
„Wenn man ein Kind abtreibt kann es sein, dass alles kaputt geht und Du nie mehr ein Kind bekommen kannst. Grade in Deinem Fall…“ (hatte als kleines Mädchen einen Tumor an der Gebärmutter und dem Eileiter, der entfernt wurde. Deshalb besitze ich nur einen Eierstock).
„Was sagen die Leute zu einem so egoistischen Verhalten?“
„Sei froh, dass Du einen Freund hast der auch noch bereit ist, Dich zu heiraten obwohl Du schwanger bist.“
„Du kannst noch gar nicht mitreden, denn Du weißt nicht was für ein Glück es ist ein Kind zu haben.
Und ich wusste davon wirklich nicht viel… Das alles sagten die Menschen, denen ja nur mein Wohl am Herzen lag, die mich großgezogen hatten und denen ich vertraute.
Deshalb ging ich sogar die Ehe ein. Dadurch hatte ich wenigstens schriftlich, wer der Vater war
(mein eigener Vater hat mich mein Leben lang verleugnet und ich kenne ihn nicht. Wenigstens habe ich ein Stammbuch in dem sein Name steht).
Auch sagte mein damaliger Freund, dass er das Kind nur anerkennt wenn ich ihn heirate, denn ich wäre das Beste was es für ihn auf der Welt gäbe.
Deshalb habe ich das Kind zur Welt gebracht. Ich weiß das ist nicht dasselbe wie ein Abbruch und damit nicht zu vergleichen, denn es ist eine andere Situation. Vielleicht gehört es in manchen Gedanken auch nicht in dieses Projekt.
Aber es ist vielleicht die andere Seite der Medaillie.
Ich will mich nicht beschweren und jammern, aber das ist eben für mich das Schlimme an der Sache. Es war nicht meine Entscheidung. Ich wollte einfach nur etwas Zeit haben. Alles auf mich wirken lassen und meine Gefühle so lange ordnen bis ich gewusst hätte, was für mich wichtig ist.
Diese Zeit habe ich von der Gesellschaft und meinem Umfeld nicht bekommen.
Dadurch fehlt bis heute eine gewisse Harmonie mit mir und meinem Leben.
Gewiss, ich habe das Beste aus allen Situationen gemacht aber nur weil mir nix anderes übrig blieb. Mein Leben ist so verlaufen, dass ich mich nicht beschweren darf und kann, denn den meisten geht es schlechter oder nicht so gut.
Das stimmt alles. Nur die anderen sind nicht ich. Und egal wie ich alles vielleicht geordnet, erkämpft oder erreicht habe… Es war dennoch ein Kampf.
Und genau das sollte es nicht sein. Wenn man sich für ein Kind entscheidet, sollte man es aus freien Stücken machen. Nicht aus einem anderen Grund.
Diese Möglichkeit ist die wichtigste und sollte durch nichts gestört werden.
Bereue ich das Kind??? Nein, es ist ein Teil von mir und es ist eine Verbindung da.
Bereue ich, dass ich damals nicht genug Argumente hatte um mich frei zu entscheiden? Unendlich, denn die Gesellschaft beschimpfte mich auch als ich das Kind zur Welt gebracht hatte und verheiratet war. Denn so sind die Menschen. Sie reden immer gerne über andere, um sie zu beurteilen und meistens auch zu verurteilen.
Was ich wollte? Meine eigene Entscheidung treffen.

Wieso ich das schreibe?
Mein positiver Gedanke war, dass sich die Zukunft verändert. Seit diesem Gedanken sind 37 Jahre vergangen und es schmerzt immer wieder zu lesen und zu erfahren, dass sich nichts geändert hat.
Die Frauen hören heute noch die gleichen Argumente und befinden sich in denselben Situationen. Dazu kommt, dass meine Generation es sich teilweise noch erlauben konnte zu Hause zu bleiben und Hausfrau und Mutter zu sein. Das ist heute leider nur sehr schwer möglich.
Es ist einfach nur schrecklich und zum Weinen.

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