Island

Dass ich gerne reise ist kein Geheimnis. Auch nicht, dass ich Kälte lieber mag, als Wärme. Ich liebe das Geheimnisvolle und Zauberhafte. Die Frage ist: Warum hat es so lange gedauert, bis ich endlich nach Island gereist bin?!

Ich möchte euch etwas über die Reise erzählen. Über die Orte, die ich sah, aber auch darüber, wie mich diese Reise beeinflusst und was sie mich gelehrt hat.

Ja, diese kleine Insel hat mein Herz gestohlen. Ihre Natur, ihre Stille, ihre Einsamkeit, ihr Frieden, ihre Kreativität. Es ist ein Land voller Naturgewalten, ein Land der Gegensätze – das Land von Eis und Feuer. Ich war mir sicher, dass ich nicht enttäuscht werde. So zogen wir zu zweit in einem Van los, um dem Abenteuer ins Gesicht zu blicken.

Im Oktober hat hier schon der Winter begonnen. So abenteuerlich ich es auch mag, habe ich im Voraus doch so ziemlich jeden Bericht über winterliche Roadtrips gelesen, um nicht direkt in der ersten Woche von einer Klippe zu stürzen, zu erfrieren oder mit leerem Tank liegen zu bleiben 😉 Zum Glück! Denn sonst wären wir tatsächlich aufgeschmissen gewesen 😀 Island ist zwar wunderschön, aber rau. Hier muss man nicht das Abenteuer suchen, sondern eher kleine Sicherheitspausen 😉

Snaefellsnes

Der Weg sollte uns einmal um die Insel führen, angefangen im Westen. So fuhren wir also – nachdem wir endlich an der richtigen Autovermietung waren – los. Dass wir schon am ersten Abend fantastisch grüne Nordlichter sehen durften, fühlte sich wie ein herzliches „Willkommen“ an. Ich hatte kaum realisiert, dass sich gerade in einem meiner Träume gelandet war und war einfach nur überwältigt.

Die morgendliche Routine hatte sich sehr schnell eingespielt. Anziehen, Bett zusammenbauen, Wasser für den Tee kochen, Frühstück zubereiten und ganz in Ruhe genießen. So war es am ersten Morgen und so sollte es bis zum Ende auch bleiben 🙂

So begann also unser erster richtiger Tag auf der Halbinsel Snaefellsnes. Schon am ersten Morgen, als ich aus dem Van stieg war ich erstaunt darüber, wie alles um mich herum aussah. So anders… Farben, die es im Pfälzerwald so nicht gibt. Farben, wie ich sie auf Fotos von Island schon sah, mir aber sicher war, dass sie irgendwelchen Filtern entsprangen. Aber nein, alles war echt.

Da wir die Reise für uns entschleunigt hatten, war alles sehr locker und wir konnten uns überall so viel Zeit lassen, wie wir wollten, Routen ändern, wie wir es wollten. Als der Regen einsetzte, machten wir also direkt mal eine längere Pause in einem süßen Hotel direkt an der berühmten Budirkirkja – der schwarzen Kirche. Wir wurden sehr nett begrüßt und ich bekam sogar eine vegane heiße Schokolade, die ich mit Blick auf das aufgewühlte Meer genießen konnte.

Ihr müsst euch vorstellen: In Island geht man nicht zu einer Sehenswürdigkeit, macht ein paar Fotos und geht dann wieder… Alles dort ist eine Sehenswürdigkeit. So gibt es eben z.B. nicht nur die schwarze Kirche, sondern einen schönen kleinen Strand, senfgelbe Gräser und Hügel mit Aussicht auf schneebedeckte Berge und ein großes Lavafeld direkt dazu.

Nach einer Übernachtung am Skardsvik Beach sahen wir uns u.a. den berühmten Berg Kirkjufell an, eins meiner Highlights war jedoch unser Besuch eines kleinen Leuchtturms, dem Súgandisey. Zum einen konnten wir von dort aus einen wunderschönen Sonnenuntergang beobachten, zum anderen haben wir hier zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem isländischen Wind gemacht, der so unberechenbar und stark sein kann, wie ich es vorher noch nie erlebt habe. Doch das sollte nicht das abenteuerlichste Erlebnis werden…

Westfjorde

Je näher wir den Westfjorden kamen, desto menschenleerer wurde es. Wir haben genau einen Einheimischen getroffen, der uns erklärt hat, dass nur Verrückte um diese Zeit dort hin fahren 😀 Warum? Es wird dort im Winter sehr ungemütlich und es ist schwer, sich zu versorgen, besonders, wenn man die Gegend nicht kennt. Doch wir ließen uns nicht abschrecken und fuhren voller Vertrauen einfach drauf los. Ziel an diesem Tag sollte eine bestimmte Klippe sein. Je näher wir der Küste kamen, desto stürmischer wurde es und uns trafen mehr als nur eine Böe. Die Schlaglöcher wurden größer und wir kamen auf einmal sehr langsam voran. Zu dieser Jahreszeit gibt es nur wenige Stunden Tageslicht auf der Insel, d.h. es wurde schnell immer dunkler. Gleichzeitig fuhren wir auf einem rasant schmaler werdenden Weg – ohne jegliche Sicherheitsabsperrung – immer höher und hatten auch keine Möglichkeit umzudrehen. Während wir also in den tiefen Abgrund an unserer Seite blickten. war unser einziger Gedanke: Bitte lass uns kein anderes Auto entgegenkommen.

Dem Höllenweg endlich entkommen, standen wir plötzlich in einer Geisterstadt, anders kann man es wirklich nicht bezeichnen 😀 Auf dem Weg kamen wir schon an einem verlassenen Schiffswrack, sowie an sämtlichen verrosteten Baggern vorbei. In dieser Stadt stand ein einziger Stuhl auf dem eine große Puppe saß… Muss ich noch mehr schreiben?! 😀 Unser Ziel lag direkt vor uns, nur noch wenige Meter und wir wären da gewesen. Schließlich machte uns aber ein Wassergraben, für den unser Auto nicht ausgelegt war, einen Strich durch dir Rechnung und alles, was wir tun konnten, war nun wirklich in finsterer Nacht den ganzen Weg zurück zu fahren. Mir ist während dieser Fahrt so oft das Herz stehen geblieben, denn schlimmer, als in den Abgrund zu blicken, ist es, den Abgrund gar nicht mehr zu sehen vor Dunkelheit. Wir fuhren durch unendliches Schwarz. Und obwohl wir die Klippe nicht erreichen konnten, war es das wert. Den Tag darauf konnten wir außerdem Dynjandi sehen. Das ist einer der majestätischen Wasserfälle auf Island, für mich definitiv auch einer der schönsten.

Der Norden

Der Basaltfelsen Hvítserkur, der Wasserfall Godafoss, der Mückensee,… Im Norden gab es so viel zu sehen! Zum Beispiel auch Wale… Die sanften Riesen haben uns so sehr beeindruckt, dass wir gleich zwei Whale Watching Touren gebucht hatten. Es war nicht das erste Mal, dass ich Wale sah, aber das erste Mal so nahe. Vor allem Buckel- und Pottwale schwammen in unmittelbarer Nähe unseres kleinen Boots. Diese Tiere sind so wunderschön und mir kommt es so vor, als wären sie einer Fantasie entsprungen, weil ich diese Wesen nicht begreifen kann. Ihre Größe, ihre Stärke, ihre Kommunikation und wie sie trotz ihrer Masse durch die Meere schweben…

Leider war es auch im Norden, als ich plötzlich krank wurde und zwar so krank, dass ich mich an einen Tag fast nicht erinnern kann. Ich erspare euch eklige Einzelheiten 😀 Aber wir zogen das Leben (und vegetieren) im Van durch 😀 Ich glaube es war pure Willenskraft, die mich wieder auf die Beine gebracht hat, denn nach 2 Tagen konnten wir weiterreisen und zwar in die schönsten Schneelandschaften, wie z.B. auf der Halbinsel Melrakkaslétta. Hier befindet sich der winzige und stille Ort Raufarhöfn in dem man das Denkmal „Arctic Henge“ finden kann, das definitiv einen Besuch wert ist.

Der Osten

Auch im Osten waren wir umringt von Schnee und Eis. Abgesehen von Islandpferden, Schafen und Kühen begegneten wir auch hier kaum einer Seele. Verliebt habe ich mich in die wunderschöne Idylle der Stadt Seyðisfjörður. Jeder kennt die große Regenbogenstraße in Reykjavik, doch hier in Seyðisfjörður gibt es ebenfalls eine kleine, bunte Straße, die zu einer hellblau angestrichenen Kirche führt, eingerahmt von einem See und Bergen. Man fühlt sich, als wäre man in ein Gemälde gefallen ❤ Alleine schon die Fahrt zu diesem Ort war zauberhaft.

Spontan entschlossen wir uns den Stuðlagil Canyon zu besuchen. Diese Basaltschlucht ist mehr als beeindruckend. Mächtige Felsen, steile Klippen, mächtige Wasserfälle, die in einen türkisen Fluss münden und das alles bedeckt von weißen Eiskristallen… Wir haben fast einen ganzen Tag dort verbracht und waren mit Sicherheit nicht das letzte Mal dort. Zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass mich der Norden und der Osten Islands ohne Frage wieder zurück in dieses magische Land ziehen werden. Es gab dort alles, was ich liebe.

Langsam fuhren wir weiter Richtung Süden. Der nächste Halt auf unserem Weg sollte der Diamond Beach sein.

Der Süden und Reykjavik

Am Diamond Beach angekommen mussten wir uns so langsam von der Stille und Einsamkeit der letzten Wochen verabschieden. Viele Menschen reisen an diesen Ort und das nicht ohne Grund. Der schwarze Sand, den man an vielen Stränden Islands findet, ist für sich genommen schon besonders und wunderschön. Doch gepaart mit angespültem Gletschereis, das sich – wie der Name schon sagt – wie Diamanten auf ihm verteilt, ist es ein atemberaubender Anblick. Wir sahen die Sonne an diesem Strand unter- und aufgehen. Die Sonnenstrahlen brachten das Eis zum Funkeln, ich glaube hier haben wir die meisten Fotos gemacht… Außerdem gab es einen Glücksmoment mit dem ich niemals gerechnet hätte: Ich konnte eine kleine Robbe beobachten, die im Meer schwamm! Ihr kleines Köpflein tauchte immer wieder auf und ab… Das werde ich nie vergessen.

Ein weiteres Highlight waren die Basaltsäulen in der Nähe von  Vík í Mýrdal: Reynisdrangar. Es heißt, dass diese drei Felsen versteinerte Trolle seien… Wer weiß? 😉 Man sollte sie sich auf jeden Fall anschauen. Auch hier gibt es einen schwarzen Strand. Aber Achtung vor den Wellen! Wir und auch andere mussten mehr als einmal flüchten 😀 Sie werden extrem schnell sehr hoch und rasen über den Sand… Da sind nicht nur Füße nass geworden.

Von hier aus ging es weiter zu den wohl bekanntesten Sehenswürdigkeiten: Skógafoss, Geysir, der Þingvellir Nationalpark, der Vulkankrater Kerið,… Wir haben versucht überall sehr früh zu sein, was sich auch gelohnt hat, denn spätestens um 9 Uhr morgens kommen an diesen Plätzen die ersten Busse voller Touristen an. Das macht die Orte nicht weniger schön, man sollte sich einfach nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Nach diesen Besichtigungen waren wir immerhin wieder bereit, uns in eine Stadt zu begeben und uns der Menschheit zu stellen 😀 Doch davor durften wir zum Abschied nochmal ein Nordlichtspektakel erleben, bei dem uns der Atem stehen blieb. Während unseres Aufenthalts gab es einen Sonnensturm, der dafür sorgte, dass die Nordlichter besonders gut zu sehen waren. So verbrachen wir die Nacht irgendwo im Nirgendwo auf dem Dach unseres Autos, in Decken eingehüllt, staunend. Es erfüllt mich jetzt noch, wenn ich nur daran denke.

Obwohl Reykjavik eine Hauptstadt ist, strahlt sie Gemütlichkeit aus. Sie ist bunt und verrückt. Überall findet man Streetart, schöne Cafés und tolle Museen, wie z.B. das Punk Museum. Wir hatten das Glück, den Imagine Peace Tower – ein Denkmal von Yoko Ono an John Lennon – leuchten zu sehen. Dieser wird jedes Jahr nur in der Zeit zwischen dem 9. Oktober bis 8. Dezember eingeschaltet. John Lennons Geburts- und Todestag.

Das letzte Highlight und der perfekte Abschied: Ich wusste, dass Björk an unserem letzten Tag in Harpa, einem gigantischen Konzerthaus in Reykjavik, auftreten wird. Klar, die Tickets waren längst ausverkauft. Trotzdem wollte ich mein Glück versuchen. Wir gingen also am Morgen zu einem Schalter und fragten, ob es vielleicht doch noch Tickets geben würde. „Keine Chance.“, das war die Antwort. Freundlich und mit Mitleid in den Augen notierte die Mitarbeiterin des Hauses trotzdem meine Nummer. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass mich jemand anruft, doch auf Island bin ich anscheinend vom Glück verfolgt 😀 Das Telefon klingelte und Björk lieferte einen denkwürdigen Auftritt ❤

Zurück

Ich konnte mich nur unter Tränen vom Inselchen verabschieden. Islands Natur ist so unverfälscht, roh und mitreißend. Ich habe nie schwärzere Nächte und strahlendere Sterne gesehen. Nie so klares Wasser getrunken und mich so mit meinen Urinstinkten verbunden gefühlt. Als ich vor einiger Zeit einen Fallschirmsprung gemacht habe, war alles in mir sehr ruhig und entspannt. Es war auf eine bestimmte Weise so planbar. Auf Island hingegen gab es Momente, in denen in mir sämtliche Alarmglocken geklingelt haben. Das waren nicht nur schöne Erlebnisse, nicht nur Instagram-Abenteuer-Travel-Blog-Geschichten. Der Wind wurde oft so stark, dass man kaum laufen oder stehen konnte, der Van hat nächtelang so sehr gewackelt, dass es uns den Schlaf geraubt hat. Wellen und vor allem die Flut haben uns kalt erwischt, sodass wir einmal eingekesselt von hohen Felsen und dem Meer festsaßen. An einem Ort fing es nachts so stark an zu schneien, dass wir aufstehen mussten, um unseren Van an einem sicheren Ort zu parken, an dem wir nicht eingeschneit werden konnten. Die Campingplätze – wenn es welche gab – waren fast überall geschlossen. Adieu Toiletten, Adieu Duschen! Die Straßen sind oft voller Schlaglöcher, es gibt an steilen Hängen keine Absperrungen und man ist je nach Region auf sich allein gestellt. Einmal ging abends plötzlich unsere Standheizung aus und es wurde so kalt, dass das Wasser in unseren Flaschen gefror.

Und trotzdem… Als ich im grünen Moos zwischen Vulkanen und Gletschern lag, erkannte ich mein eigenes großes Ganzes. Wie ein kleines Puzzelteilchen konnte ich mich perfekt einfügen und das Bild war komplett. Diese Insel hat alles in mir gesetzt und gleichzeitig aufgewühlt und das war bzw. ist gar nicht immer so leicht zu ertragen, vor allem da ich von Natur aus schon mit sehr vielen inneren Gegensätzen gesegnet bin.

Doch ich habe dadurch Neues gelernt und verstanden. Sich in sich selbst gegensätzlich zu fühlen, ist nicht unbedingt etwas Schlechtes, nichts, was bekämpft werden muss. Es kann eine große Kraft sein. Eis und Feuer. Sich in den Sturm und an den Rand der höchsten Klippe zu begeben belebt die Seele und eröffnet einem Perspektiven, die einem vorher unmöglich erschienen. Die Dinge kommen, wenn sie kommen. Die Angst ist oft ein Teil der Veränderung und kann überwunden werden.

Als ich wusste, dass ich nach Island reise dachte ich, dass ich mit einem Koffer voller Content für Social Media zurückkomme und euch wochenlang nur mit Fotos und abenteuerlichen Geschichten bombardieren werde. Theoretisch hätte ich das auch machen können, aber ich wollte nicht. Auf meiner Reise hatte ich so viel Zeit ohne Internet, dafür mit der Natur. Island gilt als das sicherste Land der Erde (zumindest was die Menschen angeht) und ich habe gemerkt, wie ich aufatmen konnte. Die Tasche und Jacke einfach mal liegen lassen zu können, um den Moment zu genießen, über Wiesen zu rennen, Felsen hoch zu klettern… Ohne die Angst, dass alles weg ist, sobald man zurück kommt… Ich wusste gar nicht, wie frei mich das machen würde. Am Anfang konnte ich dieses Misstrauen gar nicht abstellen, da es so tief verankert ist und das ist eigentlich sehr traurig.

Alles, was man auf diesem kleinen Fleckchen findet, kann die ganze Erde sein. Ein Ort, über den man staunt. Eine Welt, die man bewahren möchte. Ein friedliches Zuhause. Ein Spielplatz voller Naturgewalten und Leben. DAS ist es, was ich mir für mein Leben wünsche. Und noch mehr denn je bin ich bereit dafür.

Voller Fernweh,

euer Otter ❤

4 Antworten zu “Island”

  1. Hey liebes Otterchen 🙂
    Ich kann gerade gar nicht glauben wir sehr mich deine Zeilen berühren.
    Ich hatte Gänsehaut beim lesen. Die Bilder sind auch soooo wunderschön.
    Vielen dank das du deine Erlebnisse mit uns teilst.

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